Hufrehe - EMS, Cushing/PPID und das Insulin
Was ist Hufrehe?
Als Hufrehe wird eine schmerzhafte Entzündung des Huftrageapparats bezeichnet. Dauert diese Entzündung länger als 48 Stunden, kann sich die Verbindung der Hornlamellen mit der Huflederhaut lockern und der Huftrageapparat instabil werden. Infolge dessen verändert sich die Lage des Hufbeins und es kommt zu einer Absenkung und/oder Rotation des Hufbeins in Richtung Hufsohle und im schlimmsten Fall zu einem Durchbruch des Hufbeins durch die Sohle (Hufbeindurchbruch) oder zu einer Ablösung der Hornkapsel am Kronrand (Ausschuhen). Da Pferde von Natur aus den größeren Teil ihres Körpergewichts auf der Vorhand tragen, erkranken die Vorderbeine meistens zuerst oder schwerer als die Hinterbeine. Hufrehe ist mit Abstand die schwerwiegendste Folgeerkrankung vom Equinen Metabolischen Syndrom und der häufigste Grund für chronische Lahmheit, Unreitbarkeit und Euthanasie bei EMS-Patienten.
Wie erkenne ich eine Hufrehe?
Typisch für eine Hufrehe sind eine Entlastungshaltung beider Vorderhufe (im schlimmsten Fall eine auf die Hinterhand gelehnte Sägebockhaltung) und Lahmheit, oft schon im Schritt. Dabei ist die Lahmheit meistens auf hartem Boden und in engen Wendungen am stärksten sichtbar. Da typischerweise beide Vorderhufe erkrankt sind, treten manche Pferde von einem Bein aufs andere (weight shifting), im Versuch beide Hufe abwechselnd zu entlasten. Oft liegen die Pferde auch vermehrt. Aufgrund der Entzündung im Bereich des Hufs, ist bei einer akuten Hufrehe eine verstärkte Pulsation der Zehenarterien fühlbar. Zudem können Einblutungen in der Hufsohle im Bereich des Hufbeins oder in der weißen Linie auftreten. Bei einer chronischen und möglicherweise bisher subklinischen und somit unerkannten Hufrehe kommt es zu Veränderungen der Hufform und Hornqualität mit divergierenden Hornringen (Reheringen), Narbenhorn, verbreiterter weißer Linie und Schnabelschuhbildung bis hin zum Knollhuf.
Ein akuter Hufreheschub ist immer ein Notfall, in dem umgehend ein Tierarzt kontaktiert werden sollte, damit schwere Folgen durch eine frühzeitige Behandlung reduziert oder vermieden werden können!
Wie diagnostiziert die Tierärztin eine Hufrehe?
Das Gesamtbild des Patienten mit Ernährungszustand, Vorerkrankungen wie EMS oder Cushing (PPID), die klinische Symptomatik sowie eine Lahmheitsuntersuchung mit Abtasten der Hufsohle mittels Hufzange, vor allem im Bereich des Hufbeins, geben meistens starke Hinweise, ob eine Hufrehe vorliegt oder nicht. Darüberhinaus kann mittels Röntgen eine Hufbeinabsenkung und/oder -rotation und eine eventuelle Hufbeindeformation festgestellt und somit eine Hufrehe diagnostiziert werden. Das Fehlen von röntgenologisch sichtbaren Veränderungen schließt eine Hufrehe jedoch nicht aus, insbesondere, wenn der Patient im frühen Stadium der Erkrankung vorgestellt wird oder es gelungen ist, durch frühzeitige, richtige Therapie einen schweren Verlauf und damit einhergehende Veränderungen im Bereich des Hufbeins zu verhindern.
Wie wird eine Hufrehe behandelt?
Die entzündliche Lockerung des Huftrageapparats kann zu einer Rotation und/oder Absenkung des Hufbeins führen. Um dies möglichst zu verhindern, ist es entscheidend, dass das Pferd in der akuten Phase der Hufrehe so viel Ruhe wie möglich hält, um die mechanische Belastung des erkrankten Huftrageapparats so weit wie möglich zu reduzieren. Das Pferd erhält also Boxenruhe bzw. ein maximal boxengroßes Paddock mit weichem Untergrund oder dicker Einstreu.
Zur Linderung der Schmerzen und der Entzündung wird das Pferd je nach Bedarf mit Medikamenten versorgt. Hierbei ist es wichtig, dass nur so wenig schmerzlindernde Medikamente wie irgend möglich gegeben werden, damit das Pferd einerseits zurecht kommt und möglichst wenig leidet, sich andererseits aber auch wirklich schont, möglichst viel liegt und nicht aufgrund der durch die Medikamente "maskierten", weniger spürbaren Schmerzen zu viel bewegt. Es ist durch Studien bewiesen, dass sich die Gabe von zu viel oder zu starken "Schmerzmitteln" negativ auf die Prognose der Heilung einer Hufrehe auswirkt.
Um den Huftrageapparat mechanisch zu entlasten, werden die weniger betroffene Teile des Hufs (Trachten und Strahl) zum Tragen des Pferdegewichts herangezogen. Dies wird durch eine Plateau-artige, individuell angepasste Polsterung - entweder mit einem Kunststoffpolster oder mittels eines Rehegipses - des hinteren Hufabschnitts erreicht. So werden die stärker erkrankten Anteile des Hufs im Bereich der Zehe schwebend entlastet, die Scherkräfte im Huftrageapparat durch Entlastung der Hufwand vermindert und der Zug der tiefen Beugesehne am Hufbein reduziert.
Der Huf wird in Zusammenarbeit mit einem Hufschmied anhand der angefertigten Röntgenbilder so bearbeitet, dass eine möglicherweise vorhandene Hufbeinrotation ausgeglichen wird und die Hufmechanik sich wieder normalisiert. Insbesondere bei chronischen Hufreheverläufen ist eine kontinuierliche, engmaschige Hufkorrektur, in einigen Fällen auch mit einem Spezialbeschlag für die Stabilisierung des Patienten unverzichtbar.
Welche Ursachen gibt es für Hufrehe?
Über 80 Prozent der Hufrehefälle werden durch eine oder mehrere endokrinologische Störungen, also Grunderkrankungen des Hormonsystems des Pferdes, ausgelöst. Andere Ursachen wie eine mechanische Überlastung z.B. bei hochgradigen Lahmheiten aufgrund von Frakturen oder schweren Sehnenverletzungen auf der gegenüberliegenden Gliedmaße, Vergiftungen mit Eicheln oder Robinie, Blutvergiftung infolge einer schweren Darmentzündung oder Nachgeburtsverhaltung bei der Stute oder massive Überfütterung mit Kraftfutter, sind selten und meist anhand der Vorgeschichte leicht zu identifizieren. Somit sollte bei jedem Hufrehepatienten je nach Alter, Erscheinungsbild und Futterzustand zunächst ein Equines Metabolisches Syndrom (EMS) und/oder Cushing-Syndrom (auch PPID genannt) abgeklärt werden, damit die auslösende Grunderkrankung behandelt und somit der Hufreheverlauf schneller gestoppt werden kann.
Equines Cushing Syndrom: Langes, lockiges Fell, ein mühsamer Fellwechsel und eine Veränderung des Erscheinungsbildes mit Hängebauch und Senkrücken sind leicht zu erkennende, aber auch oft recht spät auftretende Anzeichen dafür, dass ein Pferd am Equinen Cushing-Syndrom (auch bezeichnet als Pituitary Pars Intermedia Dysfunktion = PPID) leidet. Auch wiederkehrende infektiöse Erkrankungen durch eine geschwächte Immunabwehr (z.B. Entzündungen der Augenhornhaut, Kieferhöhlenentzündungen, Hautpilz oder Hufabszesse), schlechte Wundheilung und übermäßiges Schwitzen können Anzeichen für das Cushing-Syndrom sein. Im Frühstadium der Erkrankung können Verhaltensänderungen, Muskelabbau und Leistungsminderung die einzigen Symptome sein. 50 bis 80 Prozent der Pferde mit Cushing-Syndrom erkranken früher oder später an Hufrehe. Studien zeigen, dass etwa 20 Prozent der Pferde im Alter von über 15 Jahren an PPID erkrankt sind, aber auch jüngere Pferde können betroffen sein. Damit ist das Cushing-Syndrom die häufigste hormonell bedingte Erkrankung bei Pferden. Auch wenn es sich um eine chronisch fortschreitende und aktuell nicht heilbare Krankheit handelt, kann das Cushing-Syndrom mit Medikamenten sehr erfolgreich behandelt werden. Die Abklärung erfolgt mittels Blutuntersuchung, wobei bei erkrankten Pferden das ACTH (AdrenoCorticoTropes-Hormon) erhöht ist.
Wie kann EMS festgestellt werden?
Übergewicht, typische Fettpolster und Hufrehe sind deutliche Hinweise für das Vorliegen eines EMS. Insbesondere der "Cresty Neck Score", bei dem die Fettpolster im Bereich des Mähnenkamms beurteilt werden, korreliert eng mit dem Vorliegen einer Insulindysregulation. Laboruntersuchungen von Blutzucker und Insulin sowie gegebenenfalls weiterführende Tests können die Diagnose absichern. Da EMS und Cushing häufig parallel auftreten, sollte insbesondere bei älteren Pferden oder dem Vorliegen weiterer Cushing-typischer Symptome immer ein Cushing-Syndrom als Differentialdiagnose mit in Betracht gezogen und evtl. getestet werden.
Wie wird EMS behandelt?
Es gibt für Pferde noch kein Medikament zur ursächlichen Behandlung von EMS, jedoch kann ein gutes, konsequentes Fütterungs- und Bewegungsmanagement helfen, die Pferde symptomfrei und fit zu bekommen bzw. zu erhalten.
Zunächst ist es wichtig, dass die Pferde ihr Übergewicht verlieren. Hierzu ist eine konsequente Reduktionsdiät unerlässlich, durch die die Pferde nicht nur Gewicht verlieren sondern sich auch der Insulin- und Zuckerstoffwechsel wieder normalisiert. Hierbei wird dem Pony oder Pferd eine rationierte Menge Heu in möglichst vielen kleinen Portionen zur Verfügung gestellt, sodass möglichst keine zu langen Fresspausen entstehen. Dabei sollte die Menge von 1,5 kg Heu pro 100 kg Körpergewicht (Zielgewicht!) pro 24 Stunden nicht überschritten werden, da die Pferde sonst nicht oder nur sehr langsam abnehmen. Kraftfutter jeglicher Art, Möhren, Äpfel usw. werden vom Fütterungsplan gestrichen. Bis die Pferde ihr Normalgewicht erreicht haben, ist auch von Weidegang abzuraten, da die aufgenommene Futtermenge hier nicht reguliert werden kann und insbesondere frisches Weidegras im Frühjahr viele ungesunde leicht verdauliche Kohlenhydrate enthält.
Der Zuckergehalt des Grundfutters (egal ob Heu, Heulage oder Gras) sollte so niedrig wie möglich sein und hängt vor allem von den enthaltenen Grassorten und vom Schnittzeitpunkt ab. Eine Futteranalyse kann hier wertvolle Hinweise liefern, um die Ration gut zu planen. Wer die Möglichkeit hat, die Grassorten auf seinen Futterflächen zu beeinflussen, sollte für einen hohen Anteil an Liesch- und Knaulgras sorgen. Das häufig anzutreffende Deutsche Weidelgras ist für Pferde, insbesondere wenn sie Stoffwechselprobleme haben, ungeeignet, da es einen zu hohen Zuckergehalt hat. Um die Gewichtsreduktion zu unterstützen und die Normalisierung des Insulinstoffwechsels zu beschleunigen sollte begleitend zur Diät Nutraxin gefüttert werden. Dieses Ergänzungsfutter in Riegelform enthält einerseits alle für das Pferd wichtigen Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Aminösäuren, sodass es nicht zu Mangelerscheinungen kommt und verbessert andererseits durch kurzkettige, präbiotisch wirksame Fructo-Oligosaccaride (scFOS) nachweislich die Insulinsensitivität.
Sofern es die Hufgesundheit des Patienten zulässt, sollte ein intensives Bewegungsprogramm in den Tagesablauf integriert werden, um den Abnehmerfolg zu unterstützen und den Stoffwechsel zu normalisieren. Es ist wichtig, dass Pferde mit Gewichtsproblemen langfristig eine Aufgabe haben und ausreichen bewegt werden, damit sie nicht immer wieder in gefährliche Stoffwechsellagen und dadurch neue Reheschübe abrutschen.
Zeigt Ihr Pony oder Pferd Symptome eines Equinen Metabolischen Syndroms oder Cushing-Syndroms, sollten Sie sich vor allem zu Beginn der Weidezeit Gedanken um das Management zur Verhinderung einer Hufrehe machen. Bei Fragen zu Ihrem Pony oder Pferd oder allgemeinen Fragen zum Thema, kontaktieren Sie uns gern telefonisch oder per Whatsapp.