PFERDEPRAXIS REINFELD

Dr. Katharina Ehlers     

Hilfe, mein Pferd hat Kolik! Symptome, Erste-Hilfe-Maßnahmen, Behandlung und Vorbeugung - mit Podcast

Der Schreck, wenn es dem eigenen Pferd oder Pony plötzlich nicht mehr gut geht und das Wort "Kolik" fällt, ist groß. Aber was genau ist eigentlich eine "Kolik" und was kann und muss ich als Besitzer tun und was sollte man besser nicht tun?!
Der Begriff "Kolik" ist keine Erkrankung an sich sondern beschreibt alle Schmerzzustände im Bauchraum. Diese können verschiedenste Ursachen haben und können milde bis sehr heftige Symptome auslösen. Am häufigsten handelt es sich um Krampfkoliken, bei denen die Darmmuskulatur übermäßig und nicht koordiniert arbeitet. Im langen und kompliziert aufgebauten Magen-Darm-Trakt des Pferdes gibt es aber auch noch viele andere Möglichkeiten für Probleme. So kann der Dickdarm verstopfen, sich verlagern oder gar verdrehen oder der bis zu 20 Meter lange Dünndarm sich verschlingen, verknoten oder einklemmen. Manchmal sind Sandablagerungen, Würmer oder faserige Futterklumpen die Ursache für Kolikschmerzen. Auch Darmlähmungen sind möglich. Koliken, die ihre Ursache nicht im Verdauungstrakt haben, können zum Beispiel durch Blasensteine, Verletzungen des Zwerchfells, Tumoren der Eierstöcke oder eine Drehung der Gebärmutter bei der tragenden Stute ausgelöst werden.

Von außen sind die Symptome meistens erst einmal ähnlich, weshalb es nahezu unmöglich ist, ohne tierärztliche Untersuchung eine genaue Diagnose und Ursache festzustellen. Je nach Art und Ursache der Kolik unterscheidet sich die nötige Therapie von einer einmaligen Medikamentengabe durch den Haustierarzt über konservative, stationäre Intensivtherapie in einer Pferdeklinik bis hin zu einer Kolik-Operation in Vollnarkose.

Eine Kolik kann jederzeit bei jedem Pferd auftreteten. Kolikt ein Pferd, spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle für die Prognose und erfolgreiche Behandlung. Daher gilt: Je früher wir euer Pferd oder Pony untersuchen, eine Diagnose stellen und behandeln können, desto besser.

Woran erkenne ich eine Kolik bei meinem Pferd? Was sind typische Symptome?
Die Symptome können sehr vielfältig sein und sich in ihrer Ausprägung nach Rasse, Alter und Persönlichkeit des Pferdes unterscheiden. Insbesondere Robustrassen wie z.B. Islandpferde zeigen oft nur sehr milde Symptome auch bei schwerwiegenden Kolikursachen. Auch bei milden Symptomen ist schnelles Handeln gefragt, da der Zustand des Pferdes sich z.B. bei Dünndarmverschlingungen und Dickdarmdrehungen sehr rapide verschlechtern kann. Daher achtet bitte immer sehr genau auf  kleine Anzeichen und denkt daran, dass der Grad der Symptome nicht mit dem Schwergrad der Kolik zusammenhängen muss. Folgende Symptome können bei einer Kolik auftreten

Das Pferd
- wirkt teilnahmslos
- hat ein Schmerzgesicht (hilfreich zur Beurteilung ist der Horse Grimace Scale, den ihr hier herunterladen könnt)
- frisst nicht oder hat wenig Appetit
- flehmt
- scharrt
- ist unruhig oder hat einen ungewöhnlichen Bewegungsdrang
- schaut sich zum Bauch um oder tritt nach dem Bauch
- liegt vermehrt oder zu einer untypischen Uhrzeit
- legt sich hin und steht wieder auf in kurzen Abständen
- äppelt nicht oder häufig kleine Mengen hintereinander
- wälzt sich
- wirft sich rücksichtslos auf den Boden

Kommt euch euer Pferd nicht fit vor, lohnt es sich, auch auf Spurensuche in Hinblick auf die oben genannten Symptome zu gehen. Ist die Box umgewühlt, das Paddock voller Scharr- oder Liegespuren, das Haarkleid stark verschmutzt oder die Haut am Kopf abgeschürft?

Ein typisches Koliksymptom ist das Umsehen zum Bauch, das am stehenden oder liegenden Pferd zu beobachten sein kann.


Das selbe Pferd wälzt sich wenige Augenblicke später in Seitenlage. Zusätzlich flehmt die Stute.


Mein Pferd hat Kolik - und nun?

  1. Ruhe bewahren!
  2. Sofort die Tierärztin kontaktieren, um keine wertvolle Zeit zu verlieren und das weitere Vorgehen zu besprechen.
  3. Sofern es für euch gefahrlos möglich ist, bringt das Pferd an einen Ort bringen, an dem es weder sich selbst noch euch verletzen kann, z.B. ein ausreichend großes Paddock, Round-Pen, Reithalle o.ä. Alternativ kann das Pferd an einem langen Strick oder einer Longe auf weichem Boden gemächlich geführt werden. Das Pferd darf sich bewegen, wie es möchte. Es soll nicht zum Laufen gezwungen werden! Wenn euer Pferd sich hinlegen oder wälzen möchte, darf es das! Das alte Märchen, dass Pferde eine Darmverschlingung bekämen, wenn sie sich bei Kolik wälzen, ist längst wiederlegt. Wichtig ist, dass ihr die Situation bis zum Eintreffen der Tierärztin für eurer von Schmerzen geplagtes Pferd so wenig gefährlich und angenehm wie möglich macht! Nur sehr langes Liegen in flacher Seitenlage solltet ihr möglichst verhindern und euer Pferd zumindest hin und wieder bitten, sich in Brust-Bauch-Lage zu begeben, damit die Kreislaufsituation sich nicht zu sehr verschlechtert.
  4. Futter aus der Umgebung des Pferdes entfernen.
  5. Veränderungen im Verhalten bis zum Eintreffen der Tierärztin genau beobachten, damit ihr mit diesen wichtigen Informationen später bei der Diagnosefindung helfen könnt.
  6. Organisiert möglichst schon eine Transportmöglichkeit und ggf. Hilfsperson, falls eine Überweisung in eine Klinik notwendig werden sollte, damit später dafür nicht unnötig Zeit verstreicht.
  7. Wenn möglich, erhebt die PAT-Werte (Puls- und Atemfrequenz, innere Körpertemperatur) und gebt diese an die Tierärztin zur Einschätzung des Zustands eures Pferdes durch.

Bitte gebt eurem Pferd keine Medikamente ohne Absprache mit der Tierärztin und verliert vor allem keine Zeit damit, eigene Therapieversuche zu unternehmen und deren Wirkung oder Nicht-Wirkung abzuwarten.
Grundsätzlich gilt immer (!), schon bei den kleinsten Anzeichen lieber einmal zu viel den Tierarzt anzurufen als einmal zu wenig. Eine Kolik ist ein dynamischer Prozess und aus einer zunächst harmlosen Krampfkolik kann unbehandelt auch schnell ein lebensbedrohlicher Zustand werden. Daher entscheidet immer zum Wohle eures Pferdes und nicht zum Wohle der Tierärztin! Genau für solche Situationen sind wir da und deshalb rund um die Uhr für euch erreichbar.

Wie wird eine Kolik behandelt?

Wenn die Tierärztin vor Ort ist, machen wir uns zunächst ein Bild von der Situation und stellen euch einige Fragen nach dem Beginn und Verlauf der Kolik, welche Symptome euer Pferd gezeigt hat und wie sie sich gegebenenfalls bis zu unserem Eintreffen verändert haben. Wichtig ist auch zu erfahren,ob es Umstellungen in der Fütterung, dem Tagesblauf oder der Herde gab, das Pferd anderweitig krank war oder Medikamente bekommen hat. All das sind wichtige Informationen, um den Zustand eures Pferdes besser einschätzen zu können und so das Puzzle aus Symptomen zu einer Diagnose zusammenzusetzen.

Im Rahmen der Kolikuntersuchung sammeln wir Befunde zur Kreislaufsituation des Pferdes, seinem Allgemeinbefinden, hören die Darmgeräusche ab und untersuchen den Bauch von außen. Anschließend wird eine rektale Untersuchung vorgenommen, sofern es die Größe des Pferdes zulässt, bei der wir einen Teil der Bauchhöhle vorsichtig mit der Hand untersuchen und damit wichtige Informationen zur Lage, Inhalt und Beschaffenheit der Bauchhöhlenorgane sammeln können, was uns hilft, die Art der Kolik festzustellen.
Besteht der Verdacht auf eine übermäßige Füllung des Magens oder einen Dünndarmverschluss, wird eine Nasenschlundsonde geschoben, die einerseits diagnostisch wertvolle Befunde liefert und andererseits auch genutzt wird, um bei Verstopfungskoliken abführende Medikamente einzugeben.

Wenn wir alle Informationen zusammengetragen haben, können wir eine Verdachtsdiagnose stellen, eine Aussage zur Prognose treffen und mit Therapie beginnen. Dies kann eine Injektion mit einem schmerzstillenden und krampflösenden Medikament, eine Infusionstherapie oder Eingabe von Medikamenten per Sonde oder ins Maul sein. Bedarf die Kolik einer längeren Therapie oder intensiven Überwachung, wird das Pferd in eine Klinik überwiesen, wo dies technisch ganz anders möglich ist als im Heimatstall und wo im Falle des Falls auch eine möglicherweise lebensrettende Kolik-Operation durchgeführt werden kann. In einigen Fällen führt die Diagnose zusammen mit einer schlechten Prognose auch zur schweren Entscheidung, das Pferd zu erlösen, um ihm weitere Schmerzen und Leiden zu ersparen.
Die Entscheidung, welchen Weg wir gemeinsam mit euch und eurem Pferd gehen, ist von Fall zu Fall sehr individuell und wir werden euch bestmöglichst über die verschiedenen Optionen aufklären, beraten und eine gemeinsame Entscheidung mit euch zum Wohle eures Pferdes treffen.

Wie kann ich Koliken bei meinem Pferd vorbeugen?

Nicht jede Kolik können wir verhindern, aber ein gutes Management der Pferde und Ponys kann sehr hilfreich sein, um zumindest das Risiko zu verringern.

Dazu gehören gute Qualität des Raufutters, das mindestens 3x täglich und in ausreichender, dem Bedarf angepasster Menge ohne zu große Fresspausen gefüttert wird, Kraftfuttergabe immer erst nach Vorlage von Raufutter und schrittweise Futterumstellungen. Pferde sollten jederzeit, auch auf dem Paddock, Zugang zu frischem Wasser haben. Die Aufnahme von Sand z.B. auf zu kurz gefressenen Weiden ist zu vermeiden. Bei gefährdeten Pferden können regelmäßige Kuren mit Flohsamenschalen zusätzlich einen vorbeugenden Effekt haben.
Eine konsequent durchgeführte Parasitenbekämpfung bzw. Wurmprophylaxe durch ein sinnvolles Entwurmungsregime in Verbindung mit geeigneter Koppelhygiene und regelmäßige Zahnkontrollen und ggf. -behandlungen ermöglichen dem Verdauungstrakt des Pferdes ein störungsfreies Arbeiten.

Außerdem gehören regelmäßige, ausreichende Bewegung sowie das Einhalten eines gesunden Körpergewichts und Body Condition Score (mehr Informationen und Beispiele zur Beurteilung dazu hier) zur Kolikprophylaxe.

Wer lieber hört als liest, dem sei der Podcast zum Thema Kolik der Gesellschaft für Pferdemedizin empfohlen. Bei weiteren Fragen zum Thema Kolik, kontaktiert uns gern telefonisch oder per WhatsApp.