Equines Asthma - Wenn Pferde immer wieder husten - mit Podcast
Wussten Sie, dass die Atemfrequenz eines erwachsenen und gesunden Pferdes in Ruhe 8 bis 20 Atemzüge pro Minute beträgt, dass die Lungenbläschen eines Pferdes ausgebreitet ein Fußballfeld bedecken könnten und dass ein gesundes Pferd nicht regelmäßig "anstößt" oder "abhustet"?
Was sind die Ursachen für Husten bei Pferden?
Husten kann viele verschiedene Ursachen haben, oft spielen mehrere Auslöser eine Rolle. Infektionen der Atemwege mit Bakterien oder Viren sind natürlich möglich, aber nicht so häufig, wie von vielen Pferdehaltern angenommen wird. Die meisten Pferde, die mit Husten beim Tierarzt vorgestellt werden, reagieren allerdings auf Staub aus Futter und Einstreu, ein mangelhaftes Stallklima mit hoher Luftfeuchtigkeit und Schadgasen wie Ammoniak, Pilzsporen oder allergisch auf Pollen.
Wie erkenne ich, ob mein Pferd „nur“ einen Infekt hat?
Akute infektiöse Erkrankungen der oberen und mittleren Atemwege werden in den allermeisten Fällen durch Viren, seltener durch Bakterien wie z.B. Streptokokken, verursacht und gehen oft mit geschwollenen Lymphknoten, Nasenausfluss, reduziertem Allgemeinbefinden, verringerter Futteraufnahme, Husten und häufig auch Fieber einher. Bakteriell oder viral (z.B. durch Influenza) bedingte Lungenentzündungen sind schwere Allgemeinerkrankungen, die von Fieber und massiven Krankheitssymptomen begleitet werden.
Was ist Equines Asthma und was sind typische Symptome?
Equines Asthma beschreibt eine chronische, nicht infektiöse, multifaktoriell bedingte Erkrankung der mittleren und tiefen Atemwege. Typische Symptome sind chronischer oder wiederkehrender Husten, Leistungsminderung, eine erhöhte Atemfrequenz in Ruhe, eine erschwerte Atmung, zum Teil mit geblähten Nüstern und/oder Bauchatmung, rasche Ermüdung unter Belastung mit verlängerter Erholungsdauer und teilweise Nasenausfluss. Die Pferde sind fieberfrei und außer in akuten Atemnotanfällen in der Regel bei ungestörtem Allgemeinbefinden. Die Bandbreite der Symptome ist also sehr groß von milden Fällen mit gelegentlichem Husten und etwas vermehrtem Nasenausfluss bis hin zu schweren Verläufen mit unstillbarem Husten und starker Atemnot.
In der Lunge mit den Bronchien und Lungenbläschen des Pferdes entwickelt sich, oft schleichend über einen längeren Zeitraum, eine nicht-infektiös bedingte Entzündung, diese wird meist von Schleimhautschwellung und Schleimbildung begleitet. Im schlimmsten Fall kommt es zum Krampf der Bronchialmuskulatur, was zu einer krankhafte Verengung der Atemwege und damit zu Atemnot führen kann.
Mein Pferd zeigt typische Symptome und ich möchte wissen, ob es an Equinem Asthma erkrankt ist - Wie erfolgt die Diagnostik?
Die Grundlage auf dem Weg zur Diagnose bildet die allgemeine klinische tierärztliche Untersuchung. Dabei nimmt die gründliche Aufnahme des Vorberichts zu Haltungsform, Einstreu, Fütterung, Art und Dauer der Symptome, Zusammenhang von Symptomen und Veränderungen im Management, Erfolg oder Misserfolg bereits vorangegangener Behandlungen und ggf. den Ergebnissen vorheriger Diagnostik einen wichtigen Platz ein und liefert sehr wertvolle Informationen. Die allgemeine Untersuchung des Pferdes und die spezielle klinische Untersuchung des Atmungsapparats schließen sich an. In vielen Fällen führen wir außerdem eine Untersuchung des Pferdes bei und nach Belastung (z.B. an der Longe oder unter dem Reiter) durch, insbesondere wenn die Symptome nur relativ geringgradig ausgeprägt sind oder nur unter Belastung auftreten.
Um den Schweregrad der Erkrankung genauer einzuschätzen, Hinweise auf die Ursachen (und damit möglichst deren Bekämpfung) zu gewinnen und um die einzelnen Komponenten der Therapie optimal planen zu können oder aber auch zur Stellung der Diagnose in klinisch nur geringgradigen oder uneindeutigen Fällen, kommt weiterführende Diagnostik zum Einsatz. An erster Stelle steht dabei die Endoskopie der Atemwege bis in den Bereich der Bronchien (Bronchoskopie/Lungenspiegelung). Mit diesem Blick in die Atemwege können wertvolle Informationen über Schleimhautschwellung, Art und Menge des vorhandenen Schleims und zum Teil über das Vorhandensein eines Bronchienkrampfs gewonnen werden. Darüberhinaus können quasi "nebenbei" andere Atemwegsprobleme wie Kehlkopfpfeifen oder Lungenbluten als Ursachen für Atemgeräusche oder Leistungsminderungen ausgeschlossen werden. Während der Bronchoskopie entnehmen wir außerdem Proben vom Tracheobronchialsekret, die im Labor mikroskopisch untersucht werden und damit weitere Informationen zum Grad und Charakter der zellulären Entzündungsreaktion, Zustand der tiefen Atemwege, Funktion der Selbstreinigungsmechanismen der Atemwege (Clearance) und Belastung mit Pilzen, Bakterien und Pollen liefern. All das kann von uns im Heimatstall unter Sedierung durchgeführt werden.
Eine arterielle Blutgasanalyse kann Informationen zum Gasaustausch in der Lunge und damit zur Kapazität der Sauerstoffaufnahme und Leistungsfähigkeit liefern.
In unklaren Fällen ist die Durchführung einer BAL (BronchoAlveolären Lavage) zur noch genaueren Abklärung der Situation in den tiefen Atemwegen hilfreich. Aufgrund des höheren Infektions- und Komplikationsrisikos für das Pferd bei dieser Art der Probenentnahme, überweisen wir unsere Patienten hierfür gegebenenfalls in eine Klinik, wo die hygienischen Bedingungen besser als im Stall sind und die Patienten nach der Untersuchung noch für 24 Stunden engmaschig überwacht werden können.
Mein Pferd hat Equines Asthma - was nun?
Ist ein Pferd an Equinem Asthma erkrankt, wird es das (zum jetzigen Stand der medizinischen Forschung) sein Leben lang sein. Ist jetzt also alles hoffnungslos? Die Antwort ist eindeutig: Nein, auf keinen Fall! Auch wenn wir Equines Asthma nicht heilen können, haben wir als Team aus Pferdebesitzer und Tierarzt viele Möglichkeiten in der Hand, um dem Pferd zu helfen. Unser Ziel ist dabei ein symptomfreies und damit fittes und belastbares Pferd zu erreichen. Dabei spielt das Management eine ganz entscheidende Rolle. Die Behandlung besteht dabei aus drei Säulen.
Das A und O und somit die erste Säule der Asthmatherapie ist die Fütterungs- und Haltungsoptimierung. In 80 Prozent der Fälle ist Staub aus dem Rauhfutter der Hauptauslöser für Equines Asthma. Jede Art von Rauhfutter - selbst bei sehr guter Qualität - staubt. Bei schlechter Qualität ist die Staubentwicklung um ein Vielfaches höher, weshalb einwandfreie Rauhfutterqualität unumgänglich.
Trockenes Heu ist für Pferde, die an Equinem Asthma erkrankt sind, ohne Ausnahme ein Tabu. Das Heu sollte mindestens gründlich gewässert werden, wobei bedampftes Heu noch wesentlich bessere Erfolge liefert. Falls (zunächst) gewässertes Heu gefüttert werden soll, ist es wichtig, es nicht nur oberflächlich zu begießen sondern es komplett zu "waschen", da neueste Studien aus 2024 belegen, dass ein bewässern mit Gießkannen keine nennenswerte Staubreduktion bewirkt! Das Waschen kann z.B. in Heunetzen oder Körben in größeren Kunststoffbehältern erfolgen. Dabei sollte das Heu für mindestens 10 Minuten (möglichst nicht viel länger zur Schonung der Nährstoffe) eingeweicht und dann abgetropft verfüttert werden. Dadurch werden die Staubpartikel zu 90% gebunden. Allerdings hält dieser Effekt nur ca. ein bis zwei Stunden lang an, sodass die Fütterung sofort erfolgen sollte. Hinzu kommt, dass nasses Heu bei längerer Lagerung im Winter einfrieren (es wird dann nicht gefressen) oder bei wärmeren Temperaturen durch Bakterien gären und verderben kann, was wiederum zu Koliken führen kann.
Korrekt bedampftes Heu ist nicht nur staubfrei sondern durch die Erhitzung auf über 80 Grad auch nahezu frei von Baktieren und Pilzen, die die Atemwege reizen können. Darüberhinaus verdirbt es nicht so leicht und kann in Säcken (zum Schutz vor erneutem Einstauben) für 24 bis 48 Stunden gelagert werden. Nach unserer Erfahrung erleichtert dies das Fütterungsmanagement im Alltag sehr, weil „auf Vorrat“ bedampft werden kann. In sehr milden Fällen kann versucht werden, ob das Pferd auch mit Heulage statt Heu zurecht kommt. Diese staubt aufgrund des höheren Wassergehalts weniger als Heu. Diese Fütterungsoptimierung sollte konsequent durchgeführt werden, da ein deutlicher Effekt auf klinische Symptome wie Husten, Nasenausfluss oder die Lungenfunktion erst nach 2 Wochen bemerkbar ist.
Wichtig dafür ist außerdem, dass die Gesamtstaubbelastung gesenkt wird. Daher gilt, dass neben der Fütterungsoptimierung die Einstreu und das Entmistungsmanagement hinterfragt werden sollte. Eine möglichst staubarme Einstreu (Späne, Holzpellets, Strohpellets, Leinstroh o.ä.) ist zu empfehlen. Regelmäßiges, am besten tägliches Misten reduziert die Ammoniakbelastung, wobei grundsätzlich darauf zu achten ist, dass während des Mistens, Einstreuens und Fegens wegen der Aufwirbelung von Staub und Ammoniak keine Pferde im Stall sein sollten. Je besser die Luftzirkulation ist, desto besser ist die Luftqualität im Stall, also: Fenster und Türen auf! Optimal für an Equinem Asthma erkrankte Pferde ist eine Unterbringung auf der Weide oder im Offenstall, wobei auch hier die staubarme Fütterung durchführbar sein muss, was manchmal in Gruppenhaltungen schwierig sein kann.
Die zweite Säule der Asthmatherapie bildet die Behandlung mit Glukokortikoiden, also Cortison und seinen Verwandten, um die Entzündung der Atemwege zu kontrollieren. Dafür stehen uns verschiedene Möglichkeiten der systemischen Behandlung mittels Injektionen für den akuten Asthmaanfall oder Tabletten für die Behandlung über einen längeren Zeitraum, aber auch lokalen Therapien per Inhalation zur Verfügung. Systemische Behandlungen sind aufgrund der Verabreichung mit dem Futter einfach durchzuführen und wirken auch bei starker Verschleimung oder Bronchienkrampf. In der Regel werden sie gut vertragen, aber durch die Wirkung im gesamten Pferd, können je nach Höhe der Dosis und Dauer der Anwendung Nebenwirkungen auftreten. Gerade wenn Pferde zusätzlich an EMS oder Cushing (PPID) erkrankt sind, ist ein systematisches Kortison nicht das Mittel der 1. Wahl.
Alternativ können verschiedene Glukokortikoide per Inhalation verabreicht werden. Hierbei wirkt das Kortison hauptsächlich bis ausschließlich in der Lunge und nicht im gesamten Pferd, wodurch wenig bis keine Nebenwirkungen zu erwarten sind. Welche Methode gewählt wird ist vom Einzelfall abhängig und wird auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse und der Bedingungen für jeden Patienten individuell gemeinsam mit dem Besitzer entschieden.
Die dritte Säule der Asthmabehandlung stellt die symptomatische Behandlung der aufgrund der Entzündung entstehenden Folgeerscheinungen wie Verschleimung und Bronchienkrampf dar, um dem Pferd schnell seine Lebensqualität zurückzugeben und die Erholung zu erleichtern.
Je nachdem, welche Symptome im Vordergrund stehen, werden bei Bedarf schleimlösende und/oder bronchienerweiternde Medikamente verabreicht. Dies geschieht meistens über orale Präparate mit dem Futter, in manchen Fällen kann jedoch auch eine inhalative Verabreichung sinnvoll sein. Zusätzlich kann insbesondere bei starker Verschleimung eine Inhalation mit Kochsalzlösungen mittels Ultraschallverneblungsgerät unterstützend wirken.
Was kann ich vorbeugend tun?
Die artgerechte staubarme Haltung und Nutzung des Pferdes steht hierbei im Vordergrund. Viel Bewegung, frische Luft, gute Luftzirkulation im Stall, optimales Haltungsmanagement und sehr gute Rauhfutterqualität sind die wichtigsten Faktoren, um Pferde lange lungengesund zu erhalten. Denn wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Pferde sind dafür geboren, sich an der frischen Luft mit gesenktem Kopf fressend durch die Steppe zu bewegen. Wenn wir von ihnen erwarten, dass sie in stickigen kleinen Kisten bei staubigem Heu und zu wenig Bewegung für die Selbstreinigungskräfte der Atemwege gesund bleiben, dann ist es nicht der Fehler unserer Pferde, wenn sie diesem Anspruch nicht gerecht werden. Es liegt an uns, sie so zu halten, dass sie eine Chance haben, fit zu bleiben.
Sie haben noch Fragen zum Thema Husten und Equinem Asthma? Dann hören Sie doch mal in den Podcast der Gesellschaft für Pferdemedizin dazu hinein oder kontaktieren Sie uns telefonisch oder per WhatsApp.