PFERDEPRAXIS REINFELD

Dr. Katharina Ehlers     

EOTRH: Wenn Schneidezähne schmerzen

Anhand des folgenden Fallberichts möchte ich eine verbreitete Zahnerkrankung mit einem komplizierten Namen in den Fokus rücken: EOTRH, kurz für Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis, was in etwa soviel heißt wie Zahnauflösung und Zahnzementzubildung beim Pferd. Die EOTRH ist eine entzündliche Erkrankung der Schneidezähne, seltener auch der Eckzähne. Mit zunehmendem Alter steigt das Erkrankungsrisiko, jedoch zeigt dieses Fallbeispiel einer 17-jährigen Friesen-Mix-Stute, dass nicht nur geriatrische Pferde betroffen sind. Grundsätzlich können Pferde jeder Rasse an EOTRH erkranken, Islandpferde leiden jedoch überdurchschnittlich oft daran.

Woran erkennt man EOTRH und was passiert dabei überhaupt?

Zu Beginn sind die Symptome nur dezent. Meist beginnt die EOTRH an den äußeren Schneidezähnen, oft zuerst im Oberkiefer. Um die Wurzeln herum bilden sich Auftreibungen, die durch die krankhafte übermäßige Zubildung von Zahnzement entstehen, das Zahnfleisch kann sich zurückziehen oder gerötet sein. Oft haben die Pferde sehr viel Zahnstein. Im weiteren Verlauf kann es durch die eitrige Entzündung der Zahnwurzeln zur Fistelbildung, erkennbar durch "Eiterpickel" rund um die Zahnwurzeln im Zahnfleisch, kommen. Die EOTRH verursacht große Schmerzen, die die Pferde (wie bei vielen anderen Zahnerkrankungen auch) jedoch oft erst sehr spät zeigen, indem sie sich beim Auftrensen widersetzen, Möhren und hartes Brot nicht mehr gut abbeißen können oder insgesamt schlecht fressen und deshalb auch an Gewicht verlieren können. Erste Schmerzzeichen sind oft auch schon im frühen Stadium bei der gründlichen Untersuchung der Schneidezähne durch den Tierarzt und bei Korrekturen während der Zahnbehandlung festzustellen. Bei manchen Pferden fallen die erkrankten Zähne aus, wackeln oder brechen ab.

Die hier vorgestellte 17-jährige Stute "Sunny" ließ sich schlecht auftrensen, hatte in der Vergangenheit zwei Schneidezähne verloren und nun machte ein benachbarter Zahn erkennbar Probleme.

Weit fortgeschrittene EOTRH mit Zementzubildungen im Bereich der Zahnwurzeln, Entzündung des Zahnfleischs, Positionsveränderung der Zähne und teilweise freiliegenden Zahnwurzeln bei einer 17-jährigen Friesen-Mix-Stute.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die EOTRH ist eine Zahnerkrankung mit einem sehr typischen klinischen Bild, weshalb die Diagnose in den allermeisten Fällen durch die klinische Untersuchung des Tierarztes gestellt werden kann. Bei Verdachtsfällen im sehr frühen Stadium können Röntgenbilder nötig sein.

Wie wird ein Pferd mit EOTRH behandelt?

Zunächst muss man sich bei der Planung der Behandlung bewusst machen, dass es sich bei der EOTRH um eine eitrige Wurzelentzündung meist mehrerer Zähne mit massiven Umbauprozessen handelt, weshalb die Erkrankung sehr schmerzhaft ist, auch wenn das Fluchttier Pferd uns dies nicht immer offensichtlich zeigt. Da die Ursache der EOTRH bisher nicht genau bekannt und dementsprechend nicht behandelbar ist, ist die einzige Methode, den Patienten langfristig von seinen Schmerzen zu befreien, die Extraktion, also das Ziehen der betroffenen Zähne. Diese Operation kann in aller Regel am stehend sedierten Pferd unter Leitungsanästhesie im Heimatstall durchgeführt werden.

Wird die EOTRH im frühen Stadium erkannt, kann eine starke Kürzung der Schneidezähne zur Druckentlastung der Zahnwurzeln den Verlauf verlangsamen. Entzündungshemmende, schmerzlindernde und antibiotische Medikamente bringen nur vorübergehend eine Besserung und werden von mir deshalb zwar in Vorbereitung einer Operation eingesetzt, stellen jedoch keine sinnvolle Alternative zur Zahnextraktion dar.

Die Zähne der Stute "Sunny" mit teilweise aufgelösten, brüchigen Wurzeln und bis in den Wurzelkanal hineinreichender Entzündung nach der vollständigen Entfernung.

Und wie kommt ein Pferd danach ohne Schneidezähne überhaupt klar?

Nach meiner Erfahrung fühlen sich die Pferde nach der Entfernung der schmerzenden Zähne trotz der durch die Operation entstandenen Wunden in aller Regel sofort besser. Wenn sie aus der Sedierung wieder ganz wach sind, fangen sie meistens unmittelbar an, mit Appetit zu fressen. Das Zermahlen des Futters - ganz gleich ob Heu, Gras, Kraftfutter, Möhren oder Obst - erledigen beim Pferd von Natur aus die Backenzähne. Lediglich beim Abzupfen von Gras und beim Abbeißen von Möhren und ähnlichem müssen sich die Pferde ohne Schneidezähne etwas umstellen und stattdessen die Lippen benutzen. Viele der an EOTRH erkrankten Pferde haben darin allerdings auch vor der Zahnextraktion schon Übung, da sie die schmerzenden Schneidezähne bereits kaum noch benutzt haben.

Sechs Wochen nach der Operation ist das Zahnfleisch vollständig abgeheilt. Die Stute frisst völlig normal und lässt sich wieder problemlos auftrensen, nur die herausgestreckte Zunge erinnert von außen an die fehlenden Schneidezähne.

Die Operationswunden im Zahnfleisch heilen in wenigen Wochen vollständig ab. Da die Schneidezähne fehlen, hängt vielen Pferden nach der Operation im entspannten Zustand die Zunge etwas aus dem Maul heraus, was jedoch aus meiner Sicht ein für die langfristige Schmerzfreiheit allemal zu ertragender "Schönheitsfehler" ist.

Wenn Sie Fragen zur Zahngesundheit Ihres Pferdes haben, kontaktieren Sie mich gern telefonisch.