PFERDEPRAXIS REINFELD

Dr. Katharina Ehlers     

Ein Fohlen aus meiner Stute: Alles rund um Geburt und Erstversorgung des Fohlens - mit Podcast

Frühling ist Fohlenzeit - eine aufregende Jahreszeit für alle Züchter und ihre Tierärzte. Rund um die Geburt sollte alles optimal laufen, um dem lange geplanten Fohlen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Schnelles und richtiges Handeln kann in dieser kritischen Zeit Leben retten, deshalb ist es wichtig, als Stutenbesitzer gut vorbereitet zu sein. Wer lieber hört, als liest, dem sei der Podcast der GPM zu diesem Thema empfohlen (gibt es natürlich auch bei Spotify).

Die Trächtigkeit neigt sich dem Ende zu: Welche Vorbereitungen sollten Sie jetzt treffen und wann geht es endlich los?

Wie lange die Trächtigkeit dauert, ist beim Pferd sehr variabel. Durchschnittlich dauert die Trächtigkeit 336 Tage, also etwa 11 Monate, jedoch können auch völlig normale Trächtigkeiten zwischen 320 und 380 Tage - im Extremfall bis 400 Tage dauern. Dies ist von Stute zu Stute verschieden.
Die Stute sollte vier bis sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin in die Abfohlbox umziehen, um sich an die Umgebung und deren Keimflora zu gewöhnen. So kann sie die passenden Antikörper produzieren, die nach der Geburt dem Fohlen wichtigen Schutz bieten. Für eine gute Mutter-Kind-Bindung ist es außerdem (insbesondere bei Maidenstuten, die ihr erstes Fohlen bekommen) wichtig, dass die Stute sich in ihrer Umgebung wohl fühlt und entspannt ist. Manchen Stuten hilft es, eine erfahrene Stute in ihrer Nähe zu haben. Dies entspricht auch dem Verhalten in der Natur, wo viele Stuten im Kreis der Herde abfohlen.
Durch die sehr variable Trächtigkeitsdauer beim Pferd, ist die Überwachung der Stute vor dem Geburtstermin und die Beobachtung der Geburtsanzeichen essentiell. Schon ein paar Tage vor der Geburt gibt es in der Regel - auch dies ist von Stute zu Stute unterschiedlich - Anzeichen, die auf die nahende Geburt hinweisen. Die Beckenbänder der Stute werden weicher und fallen ein. Die Bauchform verändert sich und wechselt von eher tonnen- zu birnenförmig. Die Stute eutert auf, das Euter wird also größer und die Milchbildung setzt ein. Einige Tage vor der Geburt finden sich bei vielen (nicht allen) Stuten die sogenannten Harztropfen an den Zitzen, dabei handelt es sich um eingetrocknetes Vorkolostrum (Biestmilch). Lassen sich bei der Stute vor der Geburt bereits einige Tropfen Milch abmelken, kann der pH-Wert bestimmt werden, der kurz vor der Geburt abfällt. In der Regel fohlen die Stuten bei einem pH-Wert von 5,6 bis 6,2 innerhalb der nächsten 24 bis 48 Stunden. Nachteil dieses Tests ist, dass das häufige Hantieren am Euter der Stute zu einem verfrühten Milcheinschuss führen kann. Lässt die Stute deutlich vor der Geburt bereits "die Milch laufen", geht das wertvolle Kolostrum für das Fohlen verloren, was ernste Probleme hervorrufen kann. Deshalb sollte man so wenig wie möglich ans Euter fassen. Stuten können die Geburt aktiv hinauszögern, bis sie sich ungestört fühlen, weshalb über 90% der Fohlen in der Nacht zur Welt kommen. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.

Bevor es losgeht, sollten Sie neben der Geburtsüberwachung alles für die Erstversorgung des Fohlens vorbereitet haben. Dafür benötigen Sie Klistiere für den Abgang des Darmpechs, Jodlösung sowie ein kleines Gefäß (z.B. Schnapsglas) zur Nabeldesinfektion und am besten eine Flasche mit Sauger (für Pferde, alternativ für Lämmer, nicht für Menschenbabys) für den Notfall. Grundsätzlich sollte natürlich auch eine Stallapotheke inkl. funktionierendem Fieberthermometer, Einmalhandschuhen und der Telefonnummer des betreuenden Tierarztes in Reichweite sein. Es bietet sich an, seinen Tierarzt vorab zu informieren, wenn die Geburt bevorsteht, sodass er vorbereitet ist und auch nachts schnell verfügbar ist.

Geburtsüberwachung: Welche Methoden gibt es und welche passt zu meiner Stute?

Da Geburtsstockungen beim Pferd innerhalb kürzester Zeit das Leben von Stute und Fohlen gefährden können, ist eine gute Geburtsüberwachung absolut entscheidend. Zur Geburtsüberwachung gibt es diverse Methoden, die alle ihre Vor- und Nachteile haben, sodass jeder Züchter für sich den optimalen Weg herausfinden muss. Sehr personalintensiv, aber dafür am sichersten ist die Geburtsüberwachung per Kamera mit ständiger Nachtwache vor dem Bildschirm durch erfahrene Züchter oder Gestütsmitarbeiter. Mit dieser Methode werden Geburtsbeginn und Komplikationen am schnellsten erkannt, sodass wenn nötig sofort eingegriffen werden kann und es besteht keine Gefahr technischer Fehlalarme oder Ausfälle. Außerdem wird die Stute nicht gestört. Ebenfalls sehr zuverlässig sind Sensoren, die kurz vor dem Geburtstermin vom Tierarzt in die Schamlippen der Stute eingenäht werden. Hierbei ist der Nachteil, dass dies erstens eine recht invasive Methode darstellt und außerdem die Sensoren erst alarmieren, wenn die Austreibungsphase beginnt. Es bleibt vom Alarm also im Zweifelsfall nur wenig Zeit, um helfend einzugreifen. Außerdem kann es vorkommen, dass bei bestimmten Geburtsstockungen (z.B. Beugehaltungen der Gliedmaßen) gar kein Alarm ausgelöst wird. Weit verbreitet sind Sensoren, die am Halfter angebracht werden oder in einen Brustgurt eingebaut sind und per Telefon Alarm schlagen, wenn die Stute für eine bestimmte Zeit in Seitenlage liegt oder vermehrt schwitzt. Hierbei besteht eine recht hohe Wahrscheinlichkeit von Fehlalarmen, wenn die Stute sich hinlegt, obwohl die Geburt noch nicht bevorsteht oder von "Versagern", wenn die Stute kaum schwitzt, nicht in Seitenlage abfohlt oder der Gurt verrutscht. Welche der Methoden für Ihre Stute geeignet ist, ist individuell. Möglich und üblich ist auch eine Kombination von Kameraüberwachung und Sensoren, sodass am Monitor überprüft werden kann, ob es sich um einen Fehlalarm handelt oder die Geburt wirklich im Gange ist.

Wie läuft eine normale Pferdegeburt ab und wann muss ich mir Sorgen machen?

Die Geburt beginnt mit dem Öffnungsphase, dies setzt meist unbemerkt vor den Wehen ein. Manche Stuten zeigen in dieser Phase bereits eine gewisse Unruhe oder legen sich häufiger hin und stehen wieder auf. Setzen dann die Wehen ein, wird das Fohlen in den Geburtsweg vorgetrieben und die Geburtswege weiten sich. Etwa zwei Stunden nach Beginn des Öffnungsphase kommt es zum Fruchtblasensprung. Mit dem Sprung der Fruchtblase beginnt die Austreibungsphase, für die sich die meisten Stuten, oft in Seitenlage, hinlegen. Die Austreibungsphase dauert normalerweise nur fünf bis zehn Minuten, es geht also alles sehr schnell. Sollte die Geburt über zehn oder gar zwanzig Minuten nicht vorangehen, liegt sehr wahrscheinlich eine Geburtsstockung vor, die sofortiges Handeln erfordert. Durch die Anatomie des Geburtsweges wird beim Pferd schnell die Nabelschnur abgedrückt, sodass das Fohlen bei Geburtsstockungen in kürzester Zeit in Lebensgefahr schwebt. Erfahrene Züchter können selbst Geburtshilfe leisten. Wer damit keine Erfahrung hat, ruft seinen Tierarzt an, der so schnell wie möglich kommen und währenddessen telefonisch Hilfestellung leisten kann. Wichtig ist dabei vor allem, ob das Fohlen korrekt liegt. Normalerweise werden Fohlen mit gestreckten Vorderbeinen und dem oben darauf liegenden gestreckten Kopf geboren. Prüfen Sie also, ob sie zwei Hufe und darauf die Nase des Fohlens sehen oder fühlen können. Ist dies der Fall, kann mit maximal zwei Erwachsenen, evtl. unter telefonischer Anleitung durch den Tierarzt, zusammen mit den Wehen der Stute dosierte Zughilfe geleistet werden. Korrekturen von Fehllagen des Fohlens oder Fehlhaltungen von Kopf und Gliedmaßen sollten nur von erfahrenen Züchtern oder Tierärzten durchgeführt werden, um das Verletzungsrisiko für die Stute gering zu halten. Sobald wie möglich sollten die Nüstern des Fohlens durch Ausstreichen von oben von Schleim und Resten von Fruchthüllen und -wasser befreit werden, damit das Fohlen problemlos atmen kann.

Sollte alles gut gegangen sein, liegt das Fohlen nun im Stroh, hebt den Kopf und atmet regelmäßig. Ist dies nicht der Fall, kann man das Fohlen an den Hinterbeinen anheben und über Kopf halten, sodass Fruchtwasser aus den Atemwegen abfließen kann. Bei schwachen Fohlen kann durch Abreiben mit Handtüchern oder sauberem Stroh der Kreislauf in Schwung gebracht werden. Wenn alles komplikationslos verlaufen ist, sollte man Stute und Fohlen jedoch in dieser Phase in Ruhe durchatmen und sich kennenlernen lassen.
In den meisten Fällen reißt die Nabelschnur, sobald die Stute aufsteht. Wenn Stute und Fohlen noch liegen und durch die Nabelschnur verbunden sind, sollte diese nicht durchtrennt werden, da noch Sauerstoff und Nährstoffe aus der Plazenta in den Kreislauf des Fohlens übertragen werden. Die Nabelschnur besitzt eine Art Sollbruchstelle etwa zehn Zentimeter von der Bauchdecke des Fohlens entfernt, an der die Trennung erfolgt, sollte dies bei Aufstehversuchen nicht der Fall sein, darf an dieser Sollbruchstelle durch Zug nachgeholfen werden, allerdings sollte ein Zerschneiden z.B. mit einer Schere vermieden werden. Der Nabel des Fohlens ist eine der Haupteintrittspforten für Keime, deshalb sollte er nach der Geburt sobald wie möglich desinfiziert werden und die Nabeldesinfektion in den ersten Lebenstagen mehrmals täglich wiederholt werden. Die Desinfektion erfolgt mit einer Jodlösung, die in ein kleines Gefäß (s.o.) gefüllt und in das der Nabel getaucht wird. Außerdem sollte, um den Abgang des Mekoniums (= Darmpech) zu unterstützen, rektal ein Klistier eingegeben werden. Besonders Hengstfohlen neigen zu einer potenziell lebensgefährlichen Mekoniumverhaltung, aber auch bei Stutfohlen empfiehlt sich die prophylaktische Eingabe eines Klistiers, um den Mekoniumabgang zu erleichtern. Insgesamt sollte das Fohlen in den ersten Lebensstunden so viel dunkles Mekonium absetzen, dass die kleinen "Ködel" aufgereiht etwa einen Meter lang sind. Presst das Fohlen in den folgenden Stunden und kann keinen Kot absetzen, muss kontrolliert werden, ob es wirklich alles Mekonium losgeworden ist. Der Klistier kann wiederholt werden. Hilft das nicht, muss auf jeden Fall ein Tierarzt zu Rate gezogen werden.
Ab jetzt heißt es für das Fohlen: Je schneller, desto besser! Das Fohlen sollte spätestens zwanzig Minuten nach der Geburt einen Schluckreflex zeigen und nach spätestens einer Stunde stehen. Die erste Milchaufnahme an der Stute sollte nach spätestens zwei Stunden erfolgt sein. Dabei ist es essentiell, dass das Fohlen ausreichend, das heißt mindestens zwei Liter, Kolostrum (= Biestmilch) aufnimmt. Fohlen werden ohne schützende Immunglobuline (= Antikörper) geboren und müssen diese über das Kolostrum aufnehmen, um den Keimen in ihrer Umgebung nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Hat die Stute vor der Geburt bereits die Milch laufen lassen, sodass das Kolostrum verloren gegangen ist, kann eingefrorenes Kolostrum einer anderen Stute oder Kolostrumersatz per Flasche getränkt werden. Ein Fohlen, dass nicht innerhalb von zwei Stunden nach der Geburt steht und trinkt, ist als potentiell gefährdet anzusehen und benötigt dringend tierärztliche Hilfe.

In den ersten Lebenstagen sollte das Fohlen besonders genau beobachtet werden. Dazu gehört die Kontrolle des Allgemeinbefindens, der ausreichenden Milchaufnahme (auch das Euter der Stute prüfen), regelmäßiger physiologischer Harn- und Kotabsatz sowie das Messen der inneren Körpertemperatur (beim neugeborenen Fohlen physiologisch zwischen 38,0 und 38,5°C).

Bei aller Freude über das Fohlen: Was die Stute jetzt braucht

In den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt, sollten wir auch die Stute nicht vergessen. Die Nachgeburt sollte, sofern sie nicht abgegangen ist, bevor die Stute aufgestanden ist, hochgebunden werden, sodass die Stute nicht darauf tritt. Das Gewicht der hochgebundenen Nachgeburt erleichtert den Nachgeburtsabgang, weshalb sie nicht abgeschnitten werden sollte. Durch die Nachwehen sollte die Nachgeburt innerhalb von zwei Stunden nach der Geburt abgehen und auf Vollständigkeit kontrolliert werden. Ist die Nachgeburt auch sechs Stunden nach der Geburt nicht oder unvollständig abgegangen, ist so schnell wie möglich ein Tierarzt zur Hilfe zu holen. Andernfalls kann die Stute eine lebensbedrohliche Septikämie (= Blutvergiftung) und dadurch bedingt eine Hufrehe erleiden. Frühes Eingreifen ist auch hier essentiell für die Gesundheit der Stute und damit das Überleben des Fohlens. Eine Kontrolle der äußeren Scham auf Geburtsverletzungen ist selbstverständlich, insbesondere dann, wenn Geburtshilfe geleistet wurde. Rund um die Geburt sind Stuten anfälliger für Koliken, weshalb bereits leichte Koliksymptome ernst genommen werden und der Tierarzt verständigt werden sollte. Vorbeugend kann man der Stute rund um die Geburt etwas Mash füttern. Außerdem sollten Stute und Fohlen die ersten Tage nach der Geburt nicht in der Box verbringen sondern die Möglichkeit haben, sich auf der Koppel (oder bei schlechtem Wetter in der Reithalle) zu bewegen. Die Stute erhält ein mineralisiertes Kraftfutter für Zuchtstuten, an das sie bereits vor der Geburt gewöhnt wurde (mehr dazu weiter unten im Beitrag zur Trächtigkeit). Die Menge wird entsprechend erhöht, da die Stute nun durch die Milchproduktion einen höheren Energie- und Eiweißbedarf hat. Ebenso wie beim Fohlen sollten wir auch bei der Stute die innere Körpertemperatur in den Tagen nach der Geburt regelmäßig messen, um z.B. Gebärmutterentzündungen frühzeitig bemerken und behandeln zu können.